Wenn Sie sich als pflegender Angehöriger um einen nahestehenden Menschen kümmern, übernehmen Sie viel Verantwortung. Sie organisieren, pflegen, trösten, begleiten. Oft über Monate oder Jahre. Da gerät leicht in den Hintergrund, was Sie selbst brauchen.
Dabei ist Selbstfürsorge in der Pflege keine Nebensache, sondern eine wichtige Grundlage, um langfristig gesund zu bleiben. Denn wer dauerhaft für andere da ist, braucht Wege, um sich selbst Halt zu geben und Kraft zu schöpfen.
Ein wertvoller Begleiter ist hier das Selbstmitgefühl: Es hilft Ihnen, sich in schwierigen Momenten mit Milde zu begegnen, ohne sich fertigzumachen. Das kann für mehr Gelassenheit sorgen, auch in hektischen Pflegezeiten.
Im Pflegealltag merken viele, dass ihre Energie irgendwann nachlässt. Kennen Sie dieses Gefühl? Termine, Verpflichtungen, Sorgen: All das kann zu viel werden. Schnell schleichen sich Schuldgefühle ein, wenn Sie einmal ungeduldig werden oder nicht alles schaffen. Vielleicht denken Sie: „Ich müsste stärker, ruhiger, liebevoller sein.“ Hilfreich ist dieser innere Kritiker selten.
Pflegende Angehörige sind oft Tag für Tag im Einsatz. Da kommen Momente für sich selbst häufig zu kurz.
Viel hilfreicher ist Selbstmitgefühl. Es bedeutet, sich selbst so zu behandeln, wie man einen geliebten Menschen behandeln würde: mit Verständnis, Wärme und Geduld. Forschungen zeigen, dass Menschen, die regelmäßig Mitgefühl-Übungen praktizieren, weniger unter Burnout in der Pflege leiden und sich emotional stabiler fühlen. Auch der Körper kommt zur Ruhe: Herzschlag, Atem und innere Anspannung normalisieren sich.
Selbstmitgefühl heißt, freundlich mit sich umzugehen. Auch dann, wenn etwas schiefgeht. Dabei verwechseln viele Selbstmitgefühl mit Selbstmitleid. Der Unterschied: Selbstmitleid hält Sie in negativen Gefühlen fest. Selbstmitgefühl erlaubt Ihnen, Ärger, Sorgen oder Traurigkeit wahrzunehmen, ohne sich selbst Vorwürfe zu machen.
Beispiel: Sie haben einen Arzttermin für Ihre Pflegeperson vergessen.
Die US-amerikanische Psychologin Kristin Neff hat das Konzept des Selbstmitgefühls maßgeblich geprägt. Sie definiert es als Zusammenspiel aus Achtsamkeit, gemeinsamer Menschlichkeit und Selbstfreundlichkeit. Sie beschreibt es so: „Selbstmitgefühl bedeutet, sich selbst die Freundlichkeit und Fürsorge entgegenzubringen, die wir unserem besten Freund oder unserer besten Freundin schenken.“
Wenn sich bei Überforderung auch noch der innere Kritiker meldet, raubt das erst recht Energie und Kraft.
Gerade in der Pflege ist das unverzichtbar. Hier gehören Fehler, Erschöpfung und starke Emotionen häufig dazu, können aber gleichzeitig stark belasten. Sogenannte Compassion-Übungen (Mitgefühlsübungen) können Ihnen helfen, den inneren Kritiker zu besänftigen und sich mit Verständnis zu begegnen. Dabei geht es darum, in Momenten von Stress oder Selbstvorwürfen bewusst freundlich mit sich selbst umzugehen. Das kann schon eine kurze Atempause sein. Oder ein beruhigender Gedanke wie: „Ich gebe gerade mein Bestes.“
Jeder Mensch hat eigene Wege, sich selbst liebevoll zu behandeln. Die folgenden Impulse können Sie dabei unterstützen, Selbstfürsorge in der Pflege praktisch umzusetzen.
1. Auf sich achten
Fragen Sie sich regelmäßig: „Was brauche ich gerade wirklich?“ Vielleicht ist es Ruhe, vielleicht Bewegung. Oder einfach ein Moment zum Innehalten? Kleine Pausen sind kein Egoismus, sondern ein wichtiges Werkzeug, um sich zu stärken.
2. Stressmomente entschärfen
Wenn die Gedanken kreisen, kann eine Selbstmitgefühl-Achtsamkeitsübung helfen: Legen Sie eine Hand auf Ihr Herz, atmen Sie tief ein und sagen innerlich: „Es ist okay, dass ich müde bin. Ich darf jetzt durchatmen.“ Schon wenige Atemzüge können das Nervensystem beruhigen.
Mit sanfter Berührung zur inneren Ruhe: eine einfache Technik, um Körper und Geist zu beruhigen.
3. Sich selbst feiern
Auch wenn niemand es ausspricht: Sie leisten viel. Erinnern Sie sich daran, was Sie bereits geschafft haben. Das kann Ihr Selbstvertrauen stärken.
4. Für sich selbst einstehen
Grenzen zu setzen ist Teil der Selbstfürsorge in der Pflege. Das kann heißen, Hilfe anzunehmen, „Nein“ zu sagen oder Aufgaben zu delegieren. Zum Beispiel kann jemand beim Einkaufen unterstützen, eine Nachbarin einmal die Pflege übernehmen oder ein Pflegedienst stundenweise einspringen. Grenzen schützen Ihre Kraft und die Beziehung zu Ihrem Angehörigen.
5. Innere Stärke aktivieren
Mitgefühl-Trainingbedeutet, sich selbst zu ermutigen, statt zu kritisieren. Wenn etwas nicht so läuft wie geplant, sagen Sie sich: „Ich gebe mein Bestes. Und das genügt heute.“ Diese Haltung gibt mehr Energie zurück als ständige Selbstkritik.
Wenn Sie erschöpft sind, fällt es möglicherweise schwer, Mitgefühl-Übungen durchzuführen. Häufige innere Blockaden sind etwa: „Ich habe keine Zeit dafür“, „Das bringt doch nichts“ oder „Das ist egoistisch“.
Mini-Versionen sind hier nützlich: ein bis zwei tiefe Atemzüge oder ein kurzer Satz wie „Es ist okay, dass ich gerade erschöpft bin“. Auch mit einer körperlichen Erinnerung, zum Beispiel eine Hand aufs Herz legen, können Sie wieder bei sich ankommen.
Probieren Sie für mehr Selbstmitgefühl eine kleine Achtsamkeitsübung:
Setzen Sie sich bequem hin, schließen Sie kurz die Augen. Fragen Sie sich: Wie geht es mir gerade wirklich? Erlauben Sie, dass alle Gefühle da sein dürfen: Müdigkeit, Wut, Frust, aber auch Dankbarkeit. Dann richten Sie Ihren Blick auf die Fürsorge, die Sie täglich geben und sagen sich: „Ich bin da, und ich tue, was ich kann.“
Solches Mitgefühl-Training kann helfen, den Tag bewusster und mit mehr innerer Ruhe zu gestalten.
Einfach mal kurz bewusst Pause machen: Das kann sehr viel Kraft geben.
Selbstfürsorge in der Pflege beginnt mit kleinen Gesten. Vielleicht mit dem Entschluss, fünf Minuten am Tag nur für sich selbst zu reservieren. Oder mit dem Mut, Unterstützung anzunehmen. Sie müssen nicht alles allein tragen.
Unsere kostenlosen Online-Pflegekurse bei curendo können Sie dabei begleiten, neue Wege der Entlastung kennenzulernen und langfristig Ihre eigene Gesundheit zu schützen. Denn wer sich selbst gut behandelt, kann auch gut für andere da sein. Mit mehr Gelassenheit, Mitgefühl und Zuversicht.
So funktioniert’s